Es ist eine einmalige Gelegenheit, eine neue Universität als zusammenhängendes Ganzes mit charakteristischer baulicher Identität zu planen. Unser Leitbild ist eine signifikante und unverwechselbare Struktur, die das Zusammenspiel von Forschung, Lehre und Innovation thematisiert und bei der alle Departments der neuen Alma Mater gleichberechtigt nebeneinander und um eine gemeinsame Mitte angeordnet sind. Diese nimmt in Form eines zentralen Bandes idealtypisch und als Nucleus alle gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen, Lern- und Lehrflächen, die Hörsäle, die Bibliothek etc. auf. Unter einer plastisch geformten grünen Dachlandschaft, die als Campuswiese genutzt wird, werden in einer durchgängigen Gebäudestruktur – entlang seitlicher Glasfassaden und um riesige Lichthöfe herum – alle Sondernutzungen angeordnet.
Alle weiteren Einrichtungen der neuen Universität sind als Sinnbild der TU Nürnberg und ihrer interdisziplinären Zusammenarbeit um diese gemeinsame Campusmitte herum als prägnante Volumen angeordnet. Nicht ein einzelnes Institut, sondern die Summe aller bestimmt den Charakter und prägt das Bild der neuen Universität. Bestmöglich verflochten sind sie über das Wegenetz und die gemeinschaftlichen Nutzungen in ihrem Zentrum. Die Departments sind Häuser mit eigener Identität und Adresse. Sie stehen wie in einem städtischen Gemeinwesen in einer definierten Figur nebeneinander. Ihre Eingangs- und Gemeinschaftsbereiche sind durch großzügige Öffnungen und mittels transparenter Erdgeschosszonen optimal mit dem Campus verzahnt. Durch ihre Ausrichtung und Orientierung kommunizieren sei miteinander und treten in ein funktionales und räumliches Zusammenspiel.
Das Leitbild der integrativen Einheit wird überlagert von unserer städtebaulichen / freiraumplanerischen Struktur, die konsequent aus der West 8 Planung der angrenzenden Quartiere und Randbereiche übernommen wird. Das städtebauliche Konzept legt großen Wert auf die Verzahnung mit dem angrenzenden Stadt- und Landschaftsraum. Ferner ist es von zentraler Bedeutung, dass die sich über einen recht langen Zeitraum vollziehende Entwicklung des Campus in jedem Ausbaustadium eine eigene räumliche Qualität sowie eine bauliche Identität aufweist. Daher schlagen wir vor, bereits mit dem 1. BA große Teile der neuen Mitte anzulegen und dreiseitig zu fassen. Mit dem neuen Park kann ein prägnantes vis a` vis zu Modul 2 geschaffen werden, das auf einer ähnlichen städtischen Struktur beruht und sichtbare Bezüge herstellt. Wir erachten das „städtische Gegenüber“ am Park in Form kraftvoller Gebäudezeilen als auskömmlich stark, um den Quartieren eine Adresse und dem Park eine räumliche Fassung zu geben. Unsere Figur findet sowohl eine starke Anbindung an die Straßenbahnhaltestelle im Norden als auch an den Haltepunkt im Süden. Mit einer neuen Platzfigur im Süden kann eine signifikante räumliche Diagonale zum zentralen Parkband geschaffen werden, die zugleich die vorhandene und zu erhaltende Grünstruktur aufgreift und als prägnantes Element in die Gesamtfigur integriert.
Unser Entwurf ist die zeitgemäße Interpretation einer klassischen Campus-Idee wie sie z. B. in der Jefferson University in Virginia umgesetzt wurde. Es ist eine robuste Struktur für einen zukunftsweisenden Campus.
Die Freiraumstruktur baut auf folgenden, den Standort prägenden Elementen auf: der bestehenden, erhaltenswerten Vegetationsstruktur, der Topographie, den Vorgaben aus der bestehenden Belastung des Untergrundes, der übergeordneten Erschließung sowie den stadträumlichen/ landschaftsräumlichen Bezügen.
Die vorgefundene Landschaft stellt eine Übergangs- oder Zwischenlandschaft dar, die von einer industriellen Nachfolgelandschaft mit freien, natürlich entstanden Strukturen (sowohl flächig als auch linear in der Ausrichtung entsprechend dem ursprünglichen Schienennetz) in eine neue Stadtlandschaft mit differenzierten Nutzungen überführt wird.
Durch eine Überlagerung und Integration von Teilen dieser natürlichen Fragmente in eine ansonsten relativ geometrisch ausgeformte städtebauliche Gesamtfigur entstehen spannungsvolle Übergänge und Brüche, die dem neuen Campus eine eigene spezifische Prägung geben. Hierbei entstehen Zitate und Bezüge zur ehemaligen Nutzung, die eine Überleitung zu dem südlich angrenzenden Landschaftsraum (Lichtenreuth) herstellen, der vorwiegend der Natur als Ausgleichsfläche vorbehalten ist.
Die zukünftige Freiraumstruktur besteht aus öffentlichen Freiflächen, Plätzen, Pocket-Parks und grünen Nischen/ Fugen. Dazu kommen die den Gebäuden zugeordneten Freiflächen wie Innenhöfe, Dächer oder Terrassen. Die Freiraumstruktur umfasst somit unterschiedliche Ebenen und Schichtungen.
Wesentliches Element ist der zentrale Grünzug (die grüne „Tafel“). Dieser wird an den beiden Stirnseiten jeweils von einer Platzfläche gefasst. Der Grünzug mit den Plätzen wird über zwei „Brücken“ in Form von Boulevards mit den beiden wichtigsten Ankunftspunkten verknüpft. Im Nordwesten führt die Verbindung zur Straßenbahnhaltestelle am Übergangspunkt zum öffentlichen Park an der Brunecker Straße. Im Südwesten verläuft sie zum „Scharnierplatz“ mit der zweiten Anbindung an die Straßenbahnhaltestelle und der zukünftigen U-Bahnstation.
Der zentrale Grünzug wird in seiner Anziehungskraft dadurch gestärkt, dass Gebäude mit zentralen Funktionen eingelagert werden. Diese werden so integriert, dass der Grünzug wie eine „grüne Decke“ über der Baustruktur verläuft. Die Zugänge der Gebäude liegen am nördlichen Campus-Platz auf Platzniveau. Der Grünzug wird leicht aufgefaltet und die Höhenausformung so ausgelegt, dass Wegeverbindungen und Aufenthaltsflächen niveaugleich vom Platz oder den angrenzenden Erschließungsflächen an die Gebäude angebunden werden können. Über, in den Grünbereich eingeschnittene, Höfe werden die Gebäude belichtet.
An verschiedenen Bereichen werden die vorhandenen, gehölzgeprägten Vegetationsbestände in die Planung einbezogen: entlang des östlichen Übergangs zur Münchener Straße verläuft ein dichter, waldartiger Streifen, der die Straße abschirmt und das Gelände einfasst. Als linearer Gehölzstreifen der sich von der Nordostseite quer durch das Gebiet zieht bis hin zum „Gelenkplatz“ und weiter nach „Lichtenreuth“ führt. Dieser naturnahe Streifen wird von einem geschwungenen Weg begleitet, der mitten im Campusgelände ein Erleben von Natur und eine ruhige Erholung ermöglicht. Auf der Westseite des Campus können im Bereich der Kita und zwischen den Gebäuden des QE und SW3 zwei weitere größere Bestandsbereiche in die Planung integriert werden.
Der westliche Teil des Planungsgebietes wird bestimmt von einem langen Boulevard, der vom Gelenkplatz parallel zur U-Bahn verläuft. Eine Mischverkehrsfläche mit gleichberechtigter Nutzung für Autos, Fahrradfahrer und Fußgänger wird von Baumgruppen gegliedert. Eingelagerte Platzflächen unterteilen die langgezogene Achse.
Da zu Beginn der baulichen Entwicklung nur (kleinere) Teilflächen des Areals für die Campus-Nutzung erforderlich sind, sollten die nicht benötigten Fläche als naturnahe Erlebnisräume verbleiben. Hierfür kommen unterschiedlichste Nutzungen in Frage, die je nach Ausformung und Struktur der Flächen ausgerichtet werden
– vom Naturlehrpfad zur Vermittlung des Transformationsprozesses (Inbesitznahmen der ehemaligen industriellen Flächen durch die Natur), über Community-Gardens, Kunst- und Kulturveranstaltungen bis hin zu sportlichen Angeboten (Cross-Fahrrad, Cross-Golf, Beach-Volleyball, Boldern, …).
In unserem Entwurf sind die ohnehin angedachten Anschlüsse an die Münchener Straße im Süden und am Flachweiher auskömmlich, weil durch die gewählte Lage der Parkpaletten beide gleichwertig herangezogen werden. Für den Campus wird die Verkehrsbelastung dadurch minimiert, dass der Hauptfahrweg im östlichen Bereich des Campus im unmittelbaren Umfeld der Anschlüsse erfolgt. Im Modal Split könnte der MIV noch etwas zurück-genommen werden, da die perfekte Verflechtung des Radwegenetzes ideal-typisch alle Bereiche anbindet.
Der Campus wird zukünftig sehr gut über den öffentlichen Nahverkehr erschlossen: Im Radius von 300 m zu den Haltestellen werden alle Gebäude bis auf die weniger frequentierten und im östlichen Campusbereich liegenden Hallen über ein engmaschiges Wegenetz gut erreicht. Wir halten den im Osten an der Münchner Straße gelegenen Randbereich des Campus für geeignet, die „großen“ Campusnutzungen (Hallen, Werkstätten, Labore) aufzunehmen, bei denen mit regelmäßigen Andienungen zu rechnen ist.
Hier – mit direkter Straßenanbindung im Norden und im Süden an die Münchener Straße – können auch Lkws den weitgehend autofreien Campus tangierend anfahren. Ferner werden in zwei erweiterbaren Parkpaletten im Nord-Osten und im Süd- Osten auch die Parkierungsflächen für den MIV peripher aber dennoch fußläufig nah zur Mitte angeboten.
In den Kernbereichen ist der Fahrzeugverkehr überwiegend ausgeschlossen. Wir denken, dass mit dieser Erschließungsstruktur ein lebendiger, urbaner und weitgehend autofreier Campus geschaffen werden kann. Fahrräder und Roller spielen in unserem Konzept eine wichtige Rolle als Campus-interne Fortbewegungsmittel. An den beiden wesentlichen Zugangsbereichen (Eingang Nordwest und Südost) werden Fahrradstationen eingerichtet, an denen Leihfahrräder/ E-Bikes und Roller ausgeliehen werden können. Entlang unserer Campusmitte werden vor jedem Institutsgebäude großzügige Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Roller angeboten (jeweils ca. 40-90 Fahrradbügel).
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